VOICE Albert O. Hirschman Preis für Einmischung, Widerspruch und Erneuerung demokratischer Kultur

Der Preis
Der VOICE Albert O. Hirschman Preis für Einmischung, Widerspruch und Erneuerung demokratischer Kultur wurde erstmals 2024 von der Stiftung Kommunikationsaufbau vergeben, im Gedenken an den Soziologen, Ökonomen und Aktivisten Albert O. Hirschman (1915 – 2012). Im Sinne von Hirschmans Werk „Exit, Voice, and Loyalty“ (1970) und des Zwecks der Stiftung fördert der Preis Einzelpersonen, Gruppen oder Projekte, welche die Teilhabe benachteiligter Gruppen unterstützen, der Politikverdrossenheit begegnen oder dem Populismus entgegentreten und so die demokratische Entwicklung voranbringen. 2024 wurde das Medienhaus CORRECTIV mit 6.000 Euro ausgezeichnet, jeweils 3.000 Euro gingen an die Initiative Antisemitismus und Rassismus gemeinsam bekämpfen, den Verein RomaniPhen e.V. und das Projekt Watch The Med – Alarmphone
Teilnahmebedingungen
Im Sinne eines Schlüsselwerkes des Namensgebers „Exit, Voice, and Loyalty“ und des erklärten Zwecks der Stiftung Kommunikationsaufbau sollen mit dem Preis Einzelpersonen, Gruppen oder Projekte ausgezeichnet werden, welche die Teilhabe benachteiligter Gruppen unterstützen, der Politikverdrossenheit begegnen oder dem Populismus entgegentreten. Wir wünschen uns den Preis als möglichst inklusives Ereignis, das ein Zeichen gegen Diskriminierung und Ausgrenzung, für Teilhabe und Dialog setzt. Wir hoffen auf Bewerbungen und Vorschläge für Preisträger*innen durch und aus allen Teilen der Gesellschaft.
„Wir suchen Menschen, die sich entschlossen haben, ihre Stimme zu erheben – sei es durch Worte, Bilder oder Gesten; Menschen, die bereit sind, sich einzumischen in Dinge, die uns alle angehen; Menschen, die durch ihre Intervention helfen, die demokratische Kultur zu erneuern.“ Alexander Karschnia, Ideengeber des Preises und Kuratoriumsmitglied der Stiftung.
Prämiert werden Beiträge oder Projekte aus dem Jahr 2024 mit öffentlicher Wirkung zur Förderung und Ausweitung von Demokratie, Dialog und Teilhabe. Dies kann unter anderem ein Artikel, eine Publikation, eine öffentliche Veranstaltung, ein Podcast, eine Intervention oder eine Kampagne sein. Ein öffentlich wahrnehmbarer Impuls sollte dabei feststellbar sein.
Wir wollen keinen reinen Aktionismus auszeichnen; die Initiativen, Gruppen oder Einzelpersonen aus dem deutschsprachigen Raum sollten ihre Absichten in Worte fassen und Bereitschaft zum Dialog mitbringen. Die Nominierten sollten bereit sein, den Preis persönlich in Berlin entgegenzunehmen.
Bitte haben Sie Verständnis, dass nur vollständig Bewerbungen berücksichtigt werden können. Von der Bewerbung oder dem Vorschlag als Preisträger*in ausgeschlossen sind Mitarbeiter*innen und Kuratoriumsmitglieder der Stiftung Kommunikationsaufbau sowie Mitarbeiter*innen und Autor*innen der lieferbaren Titel der Aufbau Verlage, die mehrheitlich der Stiftung gehören.
Im Laufe des Sommers 2025 ermittelt eine unabhängige Jury aus allen eingesandten Beiträgen den oder die Preisträger*in. Sie erhalten per Email eine Benachrichtigung.
Wir freuen uns über Ihre Bewerbung ausschliesslich über dieses Formular. Bitte speichern Sie das ausgefüllte Dokument auf Ihrem Gerät und schicken Sie es ausschließlich per Mail an folgende Adresse: voice@stiftung-kommunikationsaufbau.de Unter dieser Adresse stehen wir Ihnen gerne auch für Rückfragen zur Verfügung.
Einsendeschluss ist der 31. Mai 2025
Zum Bewerbungsformular 2025
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Wir freuen uns über Ihre Bewerbung oder Ihren Vorschlag über dieses Formular.
Die Jury
Die Jury für den VOICE Albert O. Hirschman Preis für Einmischung, Widerspruch und Erneuerung demokratischer Kultur besteht aus:
Justus von Daniels (geboren1978) ist Jurist und Journalist. Nach seinem Jurastudium in Leipzig, Budapest und Berlin, Promotion an der Humboldt-Universität Berlin und jur Referendariat arbeitete er zunächst als freier Journalist ua für die ZEIT und den Tagesspiegel. 2010 war er als Postdoc am Institut for Advanced Study in Princeton, USA. 2015 kam Justus als Investigativreporter zu CORRECTIV. 2018 baute er dort das Netzwerk Correctiv.Lokal auf, seit 2019 ist Justus von Daniels Chefredakteur von CORRECTIV. Neben investigativen Recherchen zu dem Geheimtreffen in Potsdam, dubiosen Kanälen des Lobbyismus oder illegalen Parteispenden, entwickelt er die Idee der Bürgerrecherche weiter. Für seine Arbeit wurde er mehrfach ausgezeichnet.
Prof. Dr. Anette Eva Fasang (geboren 1980) ist Geisteswissenschaftlerin und Professorin für Mikrosoziologie Nach ihrem Studium der Soziologie an der LMU München wurde sie Doktorandin an der Jacobs University in Bremen. Noch während des Studiums engagierte sich Fasang am Center for Research on Inequalities and the Life Course (CIQLE) an der Yale University in New Haven, Parallel dazu war sie 2010 bis 2011 als Gastwissenschaftlerin am Institute for Social and Economic Research and Policy (ISERP) der Columbia University in New York City tätig. Seit 2011 lehrt sie an der Humboldt-Universität zu Berlin, 2023 wurde sie zur Direktorin des Instituts für Sozialwissenschaften ernannt. Ihre Forschungsschwerpunkte sind Lebensverlaufsforschung, Familienforschung, Altern und Ruhestand, Demografie, Sozialstruktur und Quantitative Sozialforschung.
Gianni Jovanovic (geboren 1978) ist Unternehmer, Aktivist, Performer und Autor. Als Sohn einer Roma-Familie machte er früh Erfahrungen mit Rassismus und Diskriminierung. Mit 14 Jahren verheirateten ihn seine Eltern, mit 16 und mit 17 wurde er Vater. Anfang 20 outete sich Gianni Jovanovic als homosexuell und trennte sich von seiner Ehefrau. Inzwischen ist er zweifacher Großvater und seit 15 Jahren glücklich mit seinem Ehemann zusammen. Über seine Erfahrungen schrieb er in seinem Buch: Ich, ein Kind der kleinen Mehrheit. Blumenbar, Berlin 2022. Gianni Jovanovic engagiert sich intensiv für die Rechte von Roma & Sinti. Mit diversen Projekten und Initiativen macht er sich auch für Menschen der LGBTIQ-Community stark, aktuell unter anderem in seiner Rolle als Co-Host der Fernsehshow Drag Race Germany.
Katharina Warda (geboren 1985) wuchs in Wernigerode auf. 2014 erwarb sie den Magisterabschluss in Soziologie, Germanistische
Literaturwissenschaft und Interkulturelle Wirtschaftskommunikation in
Jena. Im Rahmen ihrer Dissertation arbeitete sie wissenschaftlich in Berlin und Princeton (USA). 2021 wurde sie Beiratsmitglied von „Kein Schlussstrich!“, einem bundesweiten Theaterprojekt zum NSU-Komplex. Das Projekt
„Dunkeldeutschland“ über ihre Rassismus Erfahrungen in der DDR machte sie in ganz Deutschland bekannt. Als Soziologin, Filmmacherin und freie Autorin arbeite sie zu den Themen Ostdeutschland, Rassismus, Klassismus und Punk. Sie ist Vorsitzende der Jury.




Vita Albert O. Hirschman
Was bringt uns zum Handeln? Was bewegt Menschen dazu, nicht nur private Interessen zu verfolgen, sondern sich für öffentliche Angelegenheiten zu engagieren? Warum stürzen sich Menschen in kollektive Aktionen, widmen sich leidenschaftlich politischer Partizipation, nur um kurze Zeit später wieder hinter den eignen vier Wände zu verschwinden? Gibt es auch beim Engagement Konjunkturzyklen? Die Fragen nach sozialem Wandel beschäftigten Albert O. Hirschman (1915-2012) ein ganzes Leben lang. Kaum volljährig, musste er aus Berlin fliehen. Sein Studium wurde immer wieder unterbrochen durch aktive Beteiligung am antifaschistischen Kampf. In drei verschiedenen Armeen kämpfe er gegen den NS-Faschismus, zuletzt als Fluchthelfer in Marseille. Zusammen mit Varian Fry gelang es ihm, berühmte Persönlichkeiten wie Hannah Arendt, Max Ernst, Lion Feuchtwanger, Heinrich Mann u.v.a. in Sicherheit zu bringen. Nach dem Krieg arbeitete er als Ökonom für den Marshall-Plan und die Weltbank. Schon bald zog es ihn nach Lateinamerika, wo er als Berater für die kolumbianische Regierung tätig war. Er widmete sich nicht nur den Fragen der Entwicklung der Ökonomie, sondern auch der Demokratie. Wie gelingen Reformen? Mit welchen Tricks werden Reformen verhindert? Er unterrichtete an den besten Universitäten der USA, zuletzt am Institute for Advanced Studies in Princeton. Heute ist der angesehenste Preis für Sozialwissenschaften nach ihm benannt, er selbst war für den Nobelpreis im Gespräch. Dabei legte er nie Wert darauf, eine Schule zu bilden. Stattdessen hat er versucht, die ökonomische Theorie auf die Höhe des Alltagsverstandes zu bringen. Die dominanten Lehren hat er mit Witz und Ironie bekämpft, besonders die sich ausbreitenden Wahn des sog. Neoliberalismus, der alle Bereiche des Lebens zu „ökonomisieren“ versucht. Seine Perspektive war exakt spiegelverkehrt: Wie schafft man es, eine Wahl nicht nur als Konsument*in zu fällen, sondern als Akt einer bewussten politischen Entscheidung? In seinem bekanntesten Werk entwickelt er dafür die Begriffe EXIT, VOICE und LOYALTY. Während die Option EXIT die im Marktgeschehen gebräuchlichste Verhaltensweise der „Abwendung“ beschreibt (unzufriedene Kund*innen kaufen das Produkt der Konkurrenz oder wechseln den Anbieter), besagt VOICE, dass man Widerspruch anmeldet, Einspruch erhebt, seine „Stimme“ (im weitesten Sinne) erhebt. Loyalität dagegen ist eine schwankende Eigenschaft: Einer Firma, Organisation oder Partei mag man eine schwache Performance eine Weile lang nachsehen, aber irgendwann stellt sich doch die Frage: Abwanderung oder Widerspruch? Der VOICE Albert O. Hirschman Preis für Widerspruch, Einmischung und Erneuerung demokratischer Kultur unterstützt die zweite Option. Wir suchen Menschen, die sich entschlossen haben, ihre Stimme zu erheben – sei es durch Worte, Bilder oder Gesten; Menschen, die bereit sind, sich einzumischen in Dinge, die uns alle angehen; Menschen, die durch ihre Intervention helfen, die demokratische Kultur zu erneuern. Wir teilen die Überzeugung, dass Demokratie kein Zustand ist, sondern ein Prozess, eine Tätigkeit. Wird Demokratie nicht regelmäßig erneuert durch das Engagement möglichst vieler möglichst verschiedener Menschen, stirbt sie ab und wird zur leichten Beute für autoritäre Populist*innen. Statt Menschen zu ermutigen, selbst aktiv zu werden, entmündigen sie die eignen Anhänger*innen und verteufeln ihre Gegner*innen. Hirschman dagegen war erfüllt von einem „bias for hope“ – einer „Vorliebe“ oder „Hang“ für Hoffnung. Der nach ihm benannte Preis ist jenen gewidmet, deren Tun diese positive Parteilichkeit verstärkt durch Widerspruch und Einmischung und damit zu einer Erneuerung führt der demokratischen Kultur in diesem Land.
„Exit, Voice, and Loyalty“ (1970) gehört zu den bekanntesten Werken von Albert O. Hirschman und den Standardwerken des 20. Jahrhunderts. Der Ökonom hat darin die Grenzen seines Faches gesprengt und einen Leitfaden für kollektives Handeln erarbeitet. Hirschman, der erst kurz vor dem Mauerfall seine Heimatstadt Berlin wieder besuchte, hat seine Theorien mit großer Freude aktualisiert, um die „Wende“ zu beschreiben.
Beide Texte, der Klassiker von 1970 als auch der Essay von 1992 über das „Schicksal der DDR“ , wurden 2024 erstmals im Ch. Links Verlag in einem Band publiziert, ergänzt um ein Vorwort des Herausgebers Alexander Karschnia und ein Nachwort von Patrick Eiden-Offe.